Symptomatik

Gestörte Erregungs- oder Affektregulation:
Traumatisierte Kinder oder Jugendliche generell zeigen eine gestörte Erregungs- und Affektregulation. Sie befinden sich andauernd oder immer wieder in  Zuständen von körperlicher und emotionaler Übererregung  oder Untererregung.:

Übererregung: Kinder und Jugendliche in Übererregung fallen auf durch  permanent starke Unruhe und  Konzentrationsschwierigkeiten. Sie haben häufig im Unterricht Schwierigkeiten aufzupassen. Sie berichten über  Ein- und Durchschlafstörungen und Albträume. Häufig äußert sich Übererregung in Affektdurchbrüchen (z.B. aufschießende Aggressionen ), die das Kind oder der Jugendliche nicht steuern kann.

Untererregung: Kinder oder Jugendliche in Untererregung wirken dagegen leblos apathisch, wie abgeschaltet oder auch weggetreten. Sie können häufig nur mit Mühe aus diesen Zuständen zurückgeholt  werden oder sich selbst aus diesen Zuständen befreien. Ihre Muskulatur ist in der Regel schlaff, ihr Blutdruck ist niedrig und ihr Herzschlag verlangsamt.  Emotional wirken sie müde, ausgelaugt, erschöpft.


Flashbacks:
Traumatisierte Kinder  oder Jugendliche erleben in ihrem Alltagsgeschehen Flashbacks; d.h.  plötzlich schießen „wie aus dem Nichts“  Erinnerungsfragmente hoch, die an Beängstigendes aus früherer Zeit anknüpfen. Erinnerungsfragmente können z.B. Bilder, Geräusche, Gerüche sein. Diese versetzen das Kind oder den Jugendlichen dann in höchste Alarmbereitschaft und führen zu häufig unverständlichen Reaktionen für seine Umwelt.  Besonders verwirrend für das Kind, den Jugendlichen und seine Bezugspersonen ist oftmals, dass Alltagereignisse dabei als Auslöser für Flashbacks fungieren, ohne dass in der Regel dies den Beteiligten deutlich ist.  So kann z.B. die erhobene Stimme der Pflegemutter Erinnerungen an den gewaltvollen Vater hochholen, der erst geschrien und dann zugeschlagen hat.


Phobische Vermeidung:
Typisch für Traumatisierung  generell ist die Tendenz zur Vermeidung. Traumatisierte Kinder oder Jugendliche wollen unter allen Umständen Erinnerungen an traumatisch Erlebtem  aus dem Weg gehen. Sie wollen nicht daran denken , nicht darüber reden,  unter keinen Umständen die damit verbundenen Emotionen wiedererleben und spalten diese ab. Im Hintergrund steht die Angst, von Emotionen überflutet zu werden und diesen ohnmächtig ausgeliefert zu sein.


Dissoziative Symptomatik bei Kindern und Jugendlichen:
Die Abspaltung von Erinnerungen und Affekt  wird in der Psychotraumatologie als Dissoziaton bezeichnet. Komplex traumatisierte Kinder und Jugendliche zeigen in der Regel eine ausgeprägte dissoziative Symptomatik. Diese stellt sich teilweise anders dar als bei Erwachsenen.

Zum Erscheinungsbild einer dissoziativen Symptomatik gehören:

Amnesien, d.h. Erinnerungslücken: Die Kinder oder Jugendlichen mit Amnesien können sich an früher Geschehenes aber auch an Ereignisse  aus ihrem  heutigen Alltag nicht erinnern. Sie haben  z.B. vergessen, dass sie einige Tage zuvor auf einem Geburtstagsfest waren, eine Klassenarbeit geschrieben oder zurückbekommen haben. Solche  Erinnerungslücken sind für Bezugspersonen oft schwer nachzuvollziehen, teilweise werden Amnesien von Bezugspersonen als Lügen des Kindes fehlinterpretiert.  
Dissoziative Fugues: Die Kinder oder Jugendlichen finden sich z.B. an einem bestimmten Ort wieder und wissen nicht, wie sie dorthin gekommen sind.

Somatoforme Symptome: Sie erleben unter Umständen körperliche Schmerzen ohne dass hierfür eine organische Ursache existiert. Sie nehmen ihren Körper oder auch Teile ihres Körpers gar nicht oder verzerrt wahr. So können Einnässen oder Einkoten des Kindes  ein Ausdruck davon sein, dass das Kind sich von seinem Körper und seinen Funktionen abgespalten hat.

Depersonalisation: Die Kinder oder Jugendlichen fühlen ihren Körper nicht wirklich zu sich gehörig. Sie erleben sich als „stünden sie neben sich“ oder „würden sich von außen beobachten“. Unter Umständen erkennen sie sich nicht wieder, wenn sie in einen Spiegel schauen, sehen einen Fremden im Spiegel.

Derealisation: Sie erleben sich und ihren Körper  unwirklich, wie im Nebel oder fühlen sich und ihren Körper . als bestünden sie aus Watte.

Imaginäre Freunde, innere Stimmen: Kinder oder Jugendliche können weiter über imaginäre, unsichtbare Freunde oder „innere Stimmen“  berichten. Während „unsichtbare Freunde“ im jungen Alter durchaus zum normalen kindlichen Entwicklungstand  dazu gehören können, zeichnen sich „unsichtbare Freunde“  beim dissoziativen Kind durch bestimmte Eigenschaften aus:  Kinder oder Jugendliche erleben ihre „unsichtbaren Freunde“ oder „inneren Stimmen“  als nicht zu ihnen gehörig. Sie fühlen sich von diesen kontrolliert, bestimmt  und ihnen ausgeliefert. Unsichtbare Freunde können z.B. Anweisungen geben, sich selbst oder andere zu verletzen oder auch Dinge zu zerstören, die den Kindern oder Jugendlichen selbst oder ihren Bezugspersonen wichtig sind.


Dissoziative Störung (DESNOS, DIS):
Kinder oder Jugendliche mit  anhaltenden Hochstresserfahrungen haben häufig nur überleben können, indem ihr Selbst sich in unterschiedliche innere  Anteile aufgespalten hat. Die verschiedenen inneren Anteile tragen dann unterschiedliche Erinnerungen, unterschiedliche Gefühle und unterschiedliche Gedanken. Bei ausgeprägter dissoziativer Störung  wissen die einzelnen Anteile nicht voneinander bzw. weiß das Kind nicht, was es in einem anderen inneren Zustand getan,  gedacht, gefühlt hat.
Auffällige Wechsel im Verhalten, in den Emotionen, in Kleidungs- oder Essensvorlieben können bei Kindern oder Jugendlichen auf eine dissoziative Störung hinweisen.